VOM TODAUSTRAGEN AN LAETARE
Mit dem Monat März waren früher manche Bräuche verbunden, die mit dem Ende des Winters und dem beginnenden Frühling in Zusammenhang standen. Nicht nur auf dem Lande, sondern auch in der Stadt Kronach war es üblich, dass an Laetare (Laetare = vierter Passionssonntag, auch Mittfasten genannt) von den Kindern „es Duodla nausgedroung“ wurde.
Über die Entstehung des Brauches ist sich auch die Volkskunde im Unklaren und zieht mehrere Möglichkeiten in Erwägung. Zum einen beruft man sich auf den germanischen Brauch des Winteraustreibens und der Begrüßung des langersehnten Frühlings; zum anderen bringt man ihn mit den Pestnöten im 14. Jahrhundert in Zusammenhang. Dabei verweist man darauf, dass eine Gleichsetzung von Winteraustreiben und Todaustragen im 18. Jahrhundert erfolgt sei. Unter „den Tod austragen“ versteht man im Fränkischen das Vernichten einer lebensgroßen, bekleideten Strohpuppe, die man zuvor unter dem Aufsagen von Reimen durch das ganze Dorf getragen hat.
Dieser Brauch wird heute noch von den schulpflichtigen Kindern in Dörfles gepflegt. Vor dem eigentlichen Todaustragen ziehen die Kinder von Dörfles mit zwei geschulterten Holzlatten durch den Ort und erbetteln mit dem Ruf: „Holla bedolla baa Lumpn zenn Duodla“, von den Hausbewohnern abgetragene, alte Kleidungsstücke und Lumpen. Aus den mitgeführten Holzlatten zimmern sie anschließend in der Scheune eines Bauern ein Holzkreuz, umkleiden dieses mit Stroh und ziehen der Strohpuppe die gesammelten Lumpen und Kleidungsstücke an. Ob eine männliche oder eine weibliche Puppe entsteht, entscheidet sich daran, wer als letztes im Dorf verstorben ist: ein Mann oder eine Frau.
Früher gehörte zur Ausrüstung eines jeden Kindes, das sich am Umzug beteiligte, ein selbst gebastelter, bemalter Holzsäbel, mit dem während des Auszugs wild gestikuliert wurde. Um den Sieg über den Winter und über den Tod für jedermann sichtbar darzustellen, stieß man die schönsten Säbel in die Brust der Puppe.
Der Zug durch das Dorf beginnt heute noch an jenem Ort im Oberen Dorf, wo einst das sogenannte „Staana Haus“ stand: „Naus, naus, naus, übe staana Haus, übe staana Brückn, der Zippe dröcht die Stützn.“ Die Strohpuppe wird dem Kinderzug vorangetragen. Mit diesem sich ständig wiederholenden Reim, gerufen aus vielen Kinderkehlen, zieht die Schar durch den Ort bis zum südlichsten Haus. Hier stürzte man die Strohpuppe früher in den Kronachfluss und bewarf sie mit Steinen. Der Umwelt zuliebe wird die Puppe heute „entsorgt“.
Auf dem Rückweg formiert sich wiederum der Kinderzug. Lauthals singt man von der vollbrachten Rettung des Dorfes: „Hejd me den Duod nije nausgedroung, wä des Doof schö lang begroum, holla bedolla paa Eie, an dreie“ (oder viere, fünfe usw.). Die Bitte und Forderung nach einer gewissen Anzahl an Eiern richtet sich nach der Größe des Anwesens und an der Einwohnerzahl eines Hauses. Der Anführer der Kinderschar, ein Schüler der Abgangsklasse, zeigt die zu rufende Zahl mit jeweils hocherhobener Hand und ausgestreckten Fingern an. Nachdem man im ganzen Ort von Haus zu Haus gezogen und den Lohn eingesammelt hat, trifft sich die Kinderschar im Anwesen des Anführers, denn ihm steht auch das Aufteilen der eingesammelten Gaben zu. Der „Eierlohn“ je Kind richtete sich früher nach dem Besuch der jeweiligen Schulklasse. Der Erstklässer erhielt ein Ei, der Zweitklässer zwei Eier usw. Vor allem passten aber die „Teiler“ auf, dass möglichst viel für sie übrig blieb, denn es war das letzte Mal, dass sie am Todaustragen teilnehmen durften. Heute erhalten die Sammler immer mehr Süßigkeiten oder einen kleinen Geldbetrag.
Durch Ungerechtigkeiten beim Teilen der eingesammelten Gaben kam es oftmals zu Unstimmigkeiten, Balgereien und zum Bewerfen des Teilers mit rohen Eiern. An solche Geschehnisse erinnern sich heute noch manche in Ehren ergrauten Dorfbewohner, „wie sie´s damals dem Teiler gegeben haben“, weil er ungerecht war.
Der Name Laetare – zu deutsch – „freuet euch“, an dem der Winter vertrieben und das beginnende Frühjahr begrüßt wurde und noch wird, bekam durch die christliche Kirche einen neuen Sinn, vor allem durch die frohe Botschaft von Jesus Christus, dessen Leiden und Sterben die Erlösung für die Menschen brachte. Er, als Sinnbild des Lichtes, befreite die Menschen von der Finsternis der Sünde und führte sie zum ewigen Leben. Deshalb – freuet euch!

Text: Roland Graf

Bilder: Willi Schülein

Treffpunkt: Anwesen Norbert Schmidt