Jugendliche ziehen an den Kartagen mit Raschpeln durch Dörfles
Als Kartage bezeichnet man im Kirchenjahr jene drei Tage der Karwoche, an denen in besonderer Weise dem Leiden und Sterben Jesu Christi gedacht wird: Gründonnerstag, Karfreitag und Karsamstag.
Warum schweigen eigentlich an Ostern die Glocken?
An diesen drei Tagen der Trauer läuten keine Kirchenglocken. Stattdessen wird in dieser Zeit in Dörfles und vielen anderen Dörfern noch ein alter Brauch gepflegt: Kinder raschpeln – zwischen 6 und 18 Uhr alle sechs Stunden – und machen mit hölzernen Konstruktionen mächtig Lärm.
Wir machen uns auf Spurensuche einer alten Tradition.
Willi Schülein organisierte am Palmsamstag 2024 die Ausgabe der hölzernen Lärmmaschinen im Dörfleser Dorfgemeinschaftshaus.
Zum Auftakt der Kartage am Gründonnerstagabend um 18 Uhr machten sich dieses Jahr 16 Mädchen und Buben aus Dörfles auf den Weg und zogen lärmend mit ihren Raschpeln und Klitschen durchs Dorf. Die Kinder versammeln sich jeweils im Süden des Dorfes und raschpeln gemeinsam bis zur Ortsbrücke. Hier teilen sie sich in zwei Gruppen auf. Die eine Gruppe zieht ins Obere Dorf, die andere ins Hintere Dorf.
Das Raschpeln als Ersatz fürs Glockenläuten ist etwas Besonderes an den Kartagen. Früher wurden diese Raschpeln oder Klitschen von den Großvätern oder Vätern für die Kinder selbst gebaut und bei Bedarf auch repariert. Sie wurden über Generationen an Kinder und Kindeskinder weitervererbt und in Ehren gehalten.
Auf einer Kurbel sind abstehende Holzpflöckchen eingearbeitet, so dass flexible Holzstreifen, die an der Raschpel befestigt sind, beim Kurbeln nacheinander laut auf Holz knallen. Der Lärm der Raschpeln klingt einem ganz heftig in den Ohren, wenn sie gekurbelt werden und die schweigenden Kirchenglocken ersetzen. Aber schließlich muss ja jeder Dorfbewohner ans Gebet und zum Innehalten erinnert werden.
Nach altem Brauch ziehen die Dörfleser Kinder also durch den Ort, kündigen mit ihren Raschpeln oder Klitschen die Zeit zum Gebet an und fordern dreimal täglich auf, in der Geschäftigkeit des Alltags innezuhalten und zu beten:
Am Samstag um 12 Uhr wird der „Lohn“ fürs Raschpeln, insbesondere für das frühe Aufstehen während der Ferien, eingesammelt. Früher geschah das in Form von Eiern, die Anzahl richtete sich nach dem Vermögen der Familien in den Häusern. Der oder die Anführer der Raschpelgruppe, in der Regel waren dies die Schüler des letzten Jahrgangs der Volksschule, damals 8. Klasse, führten die Gruppe an und bestimmten durch Fingerzeigen, wie viele Eier bei den jeweiligen Häusern gefordert wurden. So wurde gesungen: „Das Gebet des Herrn. Holla bedolla boa Eie, an Dreie!“ bei der Standardfamilie. Bei der Firma Hering, sie handelte mit Eiern, hieß es natürlich: „ …an Zehne!“ Mittlerweile nimmt man natürlich gerne auch Geschenke in Form von Süßigkeiten oder Geld an. Am Ende wurden die „Einnahmen“, die in einen Korb kamen, durch die Gruppenleiter (Taale) begutachtet und nach einem bestimmten Verteilmodus (meist das Alter) an die Raschpler verteilt. Den Hauptanteil behielten natürlich die Chefen für sich. Freuen konnten sich vor allem die Gruppenältesten mit wenig Konkurrenz in einem Altersjahrgang, so wie ich, der Albin Reif.
Vor einigen Jahren schaffte der Heimatverein eine große Raschpl an, die über das
Jahr beim „Taale“ des nächsten Jahres verbleibt.
Mittlerweile fahren die Raschpler ab Karsamstagmittag mit einem Bollerwagen durchs Dorf, damit sie Eier, Süßigkeiten und andere Geschenke besser transportieren können. Dieses Jahr sind die „Taale“ Niklas und Finn, geteilt wird gemeinsam mit allen Raschplern.
Fotos: Sonja Schülein, Marie-Luise Reif
Text: Informationen aus unserer Dorfchronik von Roland Graf, S.116-117.
Albin und Marie-Luise Reif